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„Klinker macht es möglich, Bauwerke wie Skulpturen zu formen.“
Interview mit Architekt Sergey Skuratov, Inhaber von Sergey Skuratov Architects in Moskau
04. Februar 2015. Sergey Skuratov ist Architekt und Inhaber von Sergey Skuratov Architects in Moskau. Mit seiner international bekannten Architektur trägt er dazu bei, dass sich Klinker auch in Russland als wichtiges Baumaterial etabliert. Die Individualität jedes einzelnen Klinkersteins macht für ihn seine Besonderheit aus.
Welche Bedeutung hat Klinker für Ihre Architektur?
Sergey Skuratov: Wenn wir es an den Mengen festmachen, wurde Klinker in 30-40 Prozent meiner Fassadenobjekte verbaut. Wir haben Klinker sogar auf dem Dach und als Elemente zur Landschaftsgestaltung eingesetzt.
Welches Klinkerbauwerk hat für Sie herausragende Bedeutung?
Sergey Skuratov: Eigentlich alle. Von den jüngsten Projekten unseres Architekturbüros sind für mich besonders wichtig: das Art-Haus, Burdenko [beides luxuriöse Wohnhäuser mit großflächigen Wohnungen und Lofts in Moskau, Anmerkung der Redaktion] und die Klinkerfassaden des Garten Viertels [ein in einheitlichem Stil neu gebautes Stadtviertel im Zentrum von Moskau].
Wodurch ist die russische Architektur allgemein und insbesondere die Architektur in Moskau geprägt?
Sergey Skuratov: Ich stelle zwei Trends fest: Humanisierung und Demokratisierung. Der erste Trend äußert sich im Streben nach Nachhaltigkeit (sustainability), Umweltfreundlichkeit und einer insgesamt höheren Qualität der Architektur. Der zweite Trend ist die deutliche Tendenz zur Schaffung von mehr öffentlichen Flächen und öffentlicher Architektur bei gleichzeitiger Reduzierung der Baukosten, um die Projekte für alle zugänglich zu machen.
Wie hat sich die Rolle des Baumaterials Klinker in der Geschichte der russischen Architektur verändert?
Sergey Skuratov: Klinker wurde in der russischen Architektur – insbesondere in der industriellen Architektur – auch schon vor der Revolution von 1917 verwendet. Dieser Klinker ist immer noch fest, dieser Klinker ist immer noch da, und diese Tradition lebt jetzt wieder auf.
Wie wirken sich länderspezifische Besonderheiten und gesetzliche Rahmenbedingungen auf Ihre Architektur und Ihre Materialwahl aus?
Sergey Skuratov: Natürlich haben alle kulturellen, rechtlichen und geografischen Aspekte der verschiedenen Länder einen unmittelbaren Einfluss auf die Architektur – neben wirtschaftlichen und politischen Aspekten. In Russland werden, wie in anderen Ländern auch, nur zertifizierte Materialien zur Anwendung zugelassen. Die Mentalität der Bürger beeinflusst die Auswahl ebenfalls. Materialien prägen das Stadtbild. Klinker hat in Deutschland sein ganz natürliches Existenzrecht in der urbanen Architektur. In Russland muss er erst beweisen, dass er ein wichtiges und vollkommen berechtigtes Baumaterial ist.
Welche Kriterien sind ausschlaggebend, wenn Sie sich bei einem Gebäude für eine Klinkerfassade entscheiden?
Sergey Skuratov: Langlebigkeit und vollständige Eignung für das russische Klima. Für mich ist auch das Erscheinungsbild besonders wichtig, weil Klinker es möglich macht, Bauwerke wie Skulpturen zu formen. Die Anwendung von Klinker ist überall möglich, von Elementen der Landschaftsgestaltung bis zu Dachdeckungen.
Was macht für Sie den Reiz des Baumaterials Klinker aus?
Sergey Skuratov: Klinker erinnert mich an Keramik, seine fließenden geschmolzenen Oberflächen verleihen dem Material besondere Eigenschaften. Einerseits sieht man die Porosität, die auf die Zerbrechlichkeit hinweist. Und andererseits wissen wir um die besondere Festigkeit dieses Materials. Es ist sehr schwer, zwei identische Klinkersteine im Mauerwerk zu finden. Zwei benachbarte Klinker sind immer unterschiedlich. Das erzeugt einen Effekt, den man bei keinem anderen Material wiederfindet.
Welches sind die Grenzen des Klinkers? Für welche Bauwerke eignet er sich nicht oder noch nicht?
Sergey Skuratov: Die Grenzen für die Verwendung von Klinker sehe ich in zwei Aspekten: im Budget des Projekts und im Verständnis des Architekten, ob dieses Material dem Projekt angemessen ist.
Welche Rolle spielen Klinkerformate und Oberflächen?
Sergey Skuratov: Die Bedeutung der Formate und Oberflächen ist sehr groß. Die verschiedenen Elemente des Mauerwerks vom Verlegeschema der einzelnen Klinkersteine über die Tiefe der Fugen bis hin zur Oberflächenrauigkeit prägen das Bild des Hauses.
Was wünschen Sie sich vom Klinker, damit er sich als Baustoff der Zukunft etabliert?
Sergey Skuratov: Wir brauchen eine größere Auswahl an Standardformen, das ist sehr wichtig bei der Verarbeitung. Momentan müssen wir spezielle Formen, spezielle Serien von Klinkersteinen entwickeln, um die Grundidee des Architekten zu verwirklichen. Ich halte es für möglich, hier das Prinzip von Lego-Steinen mit ihrer Vielfalt an Formaten anzuwenden und bin mir sicher, dass sich das Anwendungsspektrum dann erweitert. Zusätzlich denke ich, dass es für den Hersteller sinnvoll ist, an der Reduzierung der Herstellungskosten und anderen Kosten in den Bereichen Verarbeitung und Logistik zu arbeiten. Eine Ideallösung wäre natürlich eine Produktion direkt in Russland – dann wären die begehrten hochwertigen Hagemeister-Klinker direkt greifbar und die örtlichen Investoren hätten die Möglichkeit, Kosten wie Transport, Zollabfertigung, etc. zu reduzieren beziehungsweise komplett zu eliminieren.
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