Konsequenter Weiterbau
Sorgsamer Umgang mit einem Stück Baugeschichte
Nottuln, 11.12.2019. Zahlreiche Gebäude der Stadt Dortmund tragen die Handschrift des berühmten Architekten Friedrich Kullrich. So auch das Fritz-Henßler-Berufskolleg am Rande der Innenstadt. Das 1909 erbaute Gebäude unterzog sich in den vergangenen Jahren einer umfassenden Erneuerung. Es steht nun als Baudenkmal und in gleicher Weise als exemplarisches Beispiel einer gelungenen Umnutzung und Erweiterung dar. Die Architekten des Bochumer Büros SSP modernisierten den Schulkomplex und vergrößerten diesen zukunftsfähig. Der Fokus dabei lag auf der behutsamen Einfügung der erforderlichen Neubaukörper in den denkmalgeschützten Bestand. Als Fassadenmaterial wurden Klinker des Nottulner Werks Hagemeister verwendet, die sich optisch harmonisch an das Bestandsgebäude angleichen.
Das Fritz-Henßler-Berufskolleg im westfälischen Dortmund gehört zu den größten Bildungsbauten in Nordrhein-Westfalen. Das Berufskolleg ist Teil des sogenannten Brügmannblocks, einem Schulkomplex bestehend aus fünf Berufsschulen. Die im frühen 20. Jahrhundert entstandene Handwerkerschule war schon zu damaligen Zeiten ein markantes architektonisches Bauwerk. Seine Fassade mit einer pfeilerartigen Ausgestaltung hinterließ einen monumentalen Eindruck im Stadtbild. Etwa ein Jahrhundert später und nach intensiver Nutzung war es an der Zeit für eine umfassende Sanierung.
Zeitgemäße Neuinterpretation
Die Aufgabe lag nun darin, das denkmalgeschützte Gebäude sinnvoll weiterzubauen. „Die einbündige Bestandssituation wurde um zwei Gebäuderiegel konsequent zu einem Zweibund erweitert“, erläutert Projektleiter Frank Köller vom ausführenden Büro SSP die Leitidee. Dabei beziehen sich die Neubauten und ihre Fassaden auf die Proportionen, charakteristische Systematik sowie Merkmale der historischen Gebäudehülle. „Öffnungsgrößen und Teilungen der Fensteranlagen der Neubaukörper orientieren sich in Anordnung und Maßverhältnis am denkmalgeschützten Bestand. Erstaunlicherweise decken sich die funktionalen Anforderungen von heute auch – mehr als 100 Jahre später – noch mit den gestalterischen Vorgaben des Vorgängerbaus“, sagt Köller. Der sorgsame Umgang mit einem Stück Baugeschichte und die geschickte Anordnung von Neubaukörpern interpretieren das Schulgebäude zeitgemäß neu. Damit wird der Komplex gleichzeitig Belangen von Denkmalpflege und Nutzern gerecht. „Trotz des enormen, zusätzlich zu generierenden Flächenangebots für heute insgesamt 2.850 Schüler galt es, die Maßstäblichkeit zu wahren“, weiß Frank Köller. So wurden bspw. bestehende Flure effizient zur Erschließung der Neubauten genutzt. Die großzügigen Geschosshöhen des Bestandes von 4,25 m konnten zudem auf die Neubaukörper übertragen werden.
Gegensätzlichkeit von Alt und Neu
In Materialität und Wahrnehmung verhalten sich Neu- und Altbau konträr zueinander. So haben etwa die neuen Gebäude Flach-, die Bestandsbauten Satteldächer. Auch die Wahl des Klinkers unterstreicht diese inverse Ansicht. Für die Fassadengestaltung kamen Hagemeister-Klinker der eigens für dieses Projekt zusammengestellten Objektsortierung „Fritz-Henßler-Berufskolleg HS“ im Dünnformat zum Einsatz. Der weiß-hellbeige Klinker der Neubauten setzt sich von den dunkleren Fassaden des Bestandbaus ab, optisch ergänzen sich diese aber harmonisch. Frank Köller erläutert die Entscheidung für den Ziegel wie folgt: „Der Klinker als Fassadenmaterial stellt nicht nur optisch eine harmonische Angleichung an die alten Gebäude her, sondern interpretiert den historischen Bestand zeitlos modern. Dem Ziegel kommt dabei im Ruhrgebiet eine besondere Bedeutung zu, historisch betrachtet bildet er das Fundament für eine rationale Architektur im Geiste der Industrialisierung. Zudem überzeugt die lebendige Handstrichoptik.“ Die Verwendung von Ziegeln entspricht dem Grundgedanken der Nachhaltigkeit, auf den bei diesem Projekt viel Wert gelegt wurde. So sind neben dem Baustoff Klinker weitere langlebige Materialien wie Zementputz, Beton und Stahl verbaut, die in ihrer Kombination dem Gedanken der Nachhaltigkeit Sorge tragen.
Für das außergewöhnliche Projekt hat das Architekturbüro SSP bereits zahlreiche Preise erhalten, u. a. den Schulbaupreis 2018, den International Architecture Award 2019, Best Architects 2020 oder den Iconic Award 2019.
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