„Der Gebäudebetreiber muss sich seiner Verantwortung bewusst sein“
Flachdachplaner Andreas Klein im Experteninterview mit Kingspan Light + Air | ESSMANN
Bad-Salzuflen, 10.09.2021. Das Flachdach ist ein sehr empfindlicher Teil des Gebäudes. Wird es nicht regelmäßig gewartet und in Stand gesetzt, birgt es ein erhebliches Risiko – nicht nur für Personen im Gebäude, sondern auch für den Verantwortlichen der Immobilie. Denn dieser ist für die sich in dem Gebäude befindlichen Menschen verantwortlich und im Schadensfall persönlich haftbar. Der Flachdachplaner und Sachverständige für Schäden an Gebäuden, Andreas Klein, und Marius Mlynski, Produktmanager bei Kingspan Light + Air, erklären, worauf Betreiber von Bauten mit Flachdächern achten müssen.
Was ist für Betreiber und Verantwortliche von Gebäuden mit Flachdächern zu beachten? Sind diese persönlich für den Zustand ihres Dachs verantwortlich und haftbar?
Andreas Klein: Die Pflichten des Verantwortlichen sind klar in der Betreiberhaftung geregelt. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sagt unter § 823 und § 836 in der Schadensersatzpflicht und der Haftung des Grundstückbesitzers sinngemäß: Jeder, der Besitz hat, ist für Leib und Leben derjenigen, die sich in dem Gebäude befinden, persönlich verantwortlich und haftbar. Das bedeutet, dass insbesondere die Standsicherheit auf dem Flachdach vom Gebäudebetreiber garantiert werden muss. Dies wird für den Betreiber gefährlich, wenn er die Wartung des Dachs vernachlässigt und es dadurch zu Dacheinbrüchen, z. B. wegen verstopfter Dachgullys, kommt. Wenn dann Arbeiten auf dem Dach verrichtet werden, ist derjenige, der für das Gebäude zuständig ist, also der Geschäftsführer, der Betreiber etc., auch für die Sicherheit der Handwerker, die er auf das Dach schickt, mitverantwortlich und ggf. schadensersatzpflichtig.
Zwar hat der Dachhandwerker die Pflicht, sich selbst zu sichern, er muss aber auch die Möglichkeit haben, dies regelkonform zu tun. Somit ist es Sache des Betreibers, auf dem Gebäude geeignete Anschlagpunkte oder Sicherungsmöglichkeiten für den Handwerker vorzuhalten. Dies ist auch in den Landesbauordnungen aller Länder so festgelegt. Somit sind regelmäßige Begehungen der Dächer unerlässlich. Und dieser Verantwortung müssen sich Gebäudebetreiber bewusst sein.
Ab wann ist eine Überprüfung des Flachdachs auf Schäden sinnvoll? Können Sie einen ungefähren Zeitraum nennen?
Andreas Klein: Auch dies wird durch gesetzliche Vorgaben geregelt. Laut DIN 1986-30 zum Thema Instandhaltung sind insbesondere die Dachentwässerungskomponenten halbjährlich zu überprüfen. Dies steht auch in der Flachdachrichtlinie: Die Dächer sind halbjährlich zu warten. Der beste Zeitpunkt dafür ist je einmal vor und nach dem Winter.
Marius Mlynski: Die Einhaltung der regelmäßigen Inspektionsintervalle kann z. B. über Servicevereinbarungen umgesetzt werden. So kann sichergestellt werden, dass aufgetretene Schäden nicht übersehen und rechtzeitig angemessen behoben werden, um auch Folgeschäden zu vermeiden.
Wie wird die Sanierungsbedürftigkeit der Oberlichter festgestellt? Welche Kriterien sind dabei wichtig?
Klein: Das Alter der Oberlichter ist ein wichtiger Indikator. Polycarbonat, das Material, aus dem viele Oberlichtfenster bestehen, neigt zur Versprödung. Es wird porös und rissig, dadurch entstehen Feuchtigkeitsschäden durch Kondensat oder defekte Abdichtungen. Je älter die Lichtkuppeln, Lichtbänder etc. also sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie durch äußere Einflüsse beschädigt werden.
Mlynski: In letzter Zeit kommt es außerdem oft zu Unwetterschäden. Stürme und Hagel beanspruchen die Oberlichter immer mehr. Die daraus resultierenden Schäden sind von unten aber häufig nicht sichtbar. Das Problem dabei ist, dass der Versicherungsschutz des Gebäudes im Schadensfall oft entfällt, wenn die Wartung und Sichtung von Schäden zu spät erfolgt und nicht nachgewiesen ist. Dann kann es für den Betreiber sehr schnell teuer werden.
Welche Kriterien muss ein Flachdach erfüllen, um als sicher und rechtlich ordnungsgemäß zu gelten?
Andreas Klein: Das Dach muss in erster Linie begehbar und sicher sein. Die Regelungen dazu werden in der Flachdachrichtlinie und in der DIN 4426 sowie in der Arbeitsschutzrichtlinie 2.1 der BG Bau festgehalten. Alle Personen auf dem Dach müssen in der Lage sein, ihr Leib und Leben dort oben zu schützen. Der Bauherr muss dafür vorher alle notwendigen Vorrichtungen installieren lassen und damit den Schutz der sich auf dem Dach befindenden Personen sicherstellen, am besten mit permanenter Ab- und Durchsturzsicherung. Bei Oberlichtern eignet sich dafür am besten ein permanenter Durchsturzschutz. Darüber hinaus müssen die vorgegebenen Normen bezüglich des Wärmeschutzes, Brandschutzes und der Entwässerung eingehalten werden.
Marius Mlynski: Eine Möglichkeit, Lichtkuppeln und Lichtbänder dauerhaft zu sichern, bieten Auffangeinrichtungen in Gitterform. Sie werden in der Regel unterhalb der Verglasung von Lichtkuppeln oder Lichtbändern eingebaut. Bewährt hat sich der Einsatz von Durchsturzgittern, die an Aufsetzkränzen oder Zargen befestigt werden. Ihr Vorteil ist, dass die Sicherheit auch beim Einsatz von RWA-Geräten oder Lüftungsklappen bestehen bleibt – selbst in komplett geöffnetem Zustand.
Aus Ihrer eigenen Erfahrung: Welche sind die größten Irrtümer, die unter den Betreibern von Gebäuden mit Flachdächern herrschen?
Andreas Klein: Da gibt es mehrere. Erstens: Dass eine Materialgarantie oder langfristige Gewährleistung die Wartung und Instandhaltung ersetzt. Eine Zehnjahresgarantie heißt nicht, dass eine Wartung erst ab Jahr elf notwendig ist.
Zweitens: Dass der Dachhandwerker selbst für seine Sicherheit auf dem Dach Sorge zu tragen hat. Dafür besteht die Verkehrssicherungspflicht, die beim Gebäudebetreiber liegt.
Drittens: Dass ein Flachdach für immer hält. Wenn bei einem Ziegeldach ein Ziegel locker ist, wird der Dachdecker sofort beauftragt. Beim Flachdach funktioniert das nicht, weil man die Schäden dort nicht sofort sieht. Da wird oft erst reagiert, wenn das Wasser schon ins Gebäude eindringt. Aber auch hier sind regelmäßige Kontrollen und schnelles Handeln immens wichtig.
Viertens: Dass man bei der Auswahl der Materialien viel Geld sparen kann. Wer billig saniert, zahlt immer zweimal.
Marius Mlynski: Bei Flachdachsanierungen werden oft nur die einzelnen Gewerke und nicht das Dach im Ganzen gesehen. Das ist aber für die Planung und erfolgreiche Sanierung wichtig. Da kommen wir ins Spiel. Wir beraten nicht nur Bauherren, sondern auch die Verarbeiter bei der Umsetzung der Sanierungsmaßnahme. Und wir helfen Gebäudebetreibern, mit den effektivsten, wertigsten und nachhaltigsten Lösungen das Beste aus ihren Flachdächern rauszuholen.
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